Fibromyalgie bestimmt nicht mein Leben
Meine Geschichte beginnt bereits einige Jahre bevor ich Fibromyalgie bekam, 2010, als es bei meiner Schwester diagnostiziert wurde. Wie viele andere habe auch ich zu ihr gesagt „Nun stell dich nicht so an. Du bist doch gesund. Dir tut nur ein bisschen der Rücken weh.“ Ich habe aber schon gemerkt, dass sie sich sehr verändert hatte, dass sie anders war als früher. Irgendwann habe ich mir dann meinen Laptop geschnappt und mich hingesetzt und nachgeforscht. Was ist eigentlich Fibromyalgie? Was macht sie mit meiner Schwester? Warum ist sie so anders? Je mehr ich gelesen habe, umso verwunderter war ich, was die Fibromyalgie mit Menschen anstellen kann. Ich habe meine Schwester dann viel besser verstanden und konnte mit ihrer Krankheit umgehen, habe sie unterstützt, ihr und ihrer Fibromyalgie Aufmerksamkeit geschenkt. Da wusste ich noch nicht, dass ich es selbst auch habe.
Erst Jahre später begannen bei mir die Schmerzen. Es ging mir wie vielen Betroffenen: mein Rücken tat weh, die Beine wollten nicht mehr. Nachts konnte ich nicht schlafen. Das schiebt man dann schnell mal auf die Hektik und den Stress des Alltags. Immer wieder Arztbesuche, Röntgen, etc. Ich war monatelang krankgeschrieben. „Ich glaub, du bist auf dem besten Weg dahin.“, dachte ich so bei mir. Irgendwann ging ich zum Schmerzarzt in Ludwigsfelde, der hat dann die Diagnose bestätigt.
Fibromyalgie ist unsichtbar. Die Symptome sind vielfältig: Sprachstörungen, Konzentrationsschwäche, Tenderpunkte, Schlafstörung, Übelkeit, Kälte- oder Wärmeempfindlichkeit, im Prinzip alles, was das Leben hergibt. Ich kann auch nicht mehr so gut hören, werde schneller krank und kann ohne Sonnenbrille nicht rausgehen. Berührungen sind unangenehm – oft muss ich erklären, warum ich eine Umarmung nicht mag, einen Händedruck. Außerdem bin ich lärmempfindlich geworden. Wenn unser Büro voll ist, muss ich rausgehen und mir ein ruhiges Plätzchen suchen.
Ich war mal mit Herz und Seele Polizistin. Bin ich heut nicht mehr, gebe ich zu. Und Fibromyalgie gebe ich auch die Schuld daran. Und ich habe Angst, einen Mann kennenzulernen. Wenn ich früh aufstehe, bin ich ganz steif. Wie ein Pinguin „watschel“ ich dann erstmal in die Küche. Ich brauche morgens zwei Stunden, eh ich aus dem Haus gehen kann. Eh ich aus dem Pinguinkostüm rauskomme. Das erschreckt mich. Manchmal sitze ich dann da und weine.
Dennoch empfinde ich, dass es mir vergleichsweise gut geht. Viele, die ich kenne, sind wesentlich schlimmer dran. Woher das kommt? Durch ein bewegtes Leben, Sorgen, Stress. Die Psyche ist ausschlaggebend für Fibromyalgie. Inzwischen achte ich besser auf mich. Wenn ich merke, es geht mir nicht gut, sorge ich für mich.
Viele Faktoren beeinflussen die Krankheit. Zum Beispiel das Wetter. Wenn es im Winter kalt und nass draußen ist oder ein Wetterumschwung ansteht, fehlt mir oft der Antrieb. Ich sag dann immer, mein Bett fesselt mich grade. Es heißt, man solle auf Kohlenhydrate, Fleisch, Alkohol verzichten, die gesamte Ernährung umstellen. Aber nein, das mach ich nicht. Fibromyalgie bestimmt nicht mein Leben. Ich lass das nicht zu.
Da müssen wir was tun. Durch meine Schwester hatte ich schon länger Kontakt zur Fibromyalgie-Liga Deutschland e. V. Mir fiel auf, dass es in unserer Region keine Selbsthilfegruppen für Fibromyalgie gibt. Also haben meine Schwester und ich das 2018 in Angriff genommen: wir haben auf einer Informationsveranstaltung über Fibromyalgie aufgeklärt, haben in der Zeitung ein Interview gegeben und eine Selbsthilfegruppe in Blankenfelde-Mahlow gegründet. Der Zulauf war enorm.
Mittlerweile treffen wir uns einmal im Monat. Dass wir uns in den Corona-Jahren nicht sehen konnten, das hat was mit uns gemacht. Viele haben Angst vor der Einsamkeit und sind froh, jetzt wieder mit Gleichgesinnten zusammen kommen zu können. Wir unternehmen viel. Wir waren im Kräutergarten, machen Ausflüge, Spaziergänge. Dass wir nur im Raum sitzen und reden, das kommt selten vor. Wir tun was für uns. Natürlich tauschen wir uns auch aus. Wir wollen was machen, wir wollen Wandern, Radfahren, haben viele Ideen. Selbsthilfe – so sagt doch das Wort – hilf Dir selbst – und das können wir doch zusammen machen. Es ist wichtig, sich den Mut nicht nehmen zu lassen.
Marina Haase, 59
SHG Fibromyalgie Blankenfelde-Mahlow