Lebensfreude stärken
Wir wollen an was Schönes denken. Die Schmerzen vergessen. Auch, wenn es nur für ein paar Stunden ist. Den Kopf freibekommen. Dafür ist unsere Gruppe da. Natürlich muss man sich dazu hingezogen fühlen, es selbst wollen. Man merkt ziemlich schnell, ob es einem guttut oder nicht. Es gibt viele Menschen, die alles mit sich selbst in ihrem Kämmerlein ausmachen. Wir sind stark, weil wir eine gute Gemeinschaft sind und andere mitziehen können. Für jeden hier haben wir ein offenes Ohr. Niemand in der Gruppe kommt nur wegen Brötchen oder Milchkaffee. Wir reden immer tiefgründig miteinander. Aber dann werden wir auch wieder leichter. Das gibt Kraft für die ganze Woche und man freut sich schon auf das nächste Treffen.
Unsere Selbsthilfegruppe heißt „Lebensfreude“. Wir haben uns bewusst für diesen Namen entschieden. Natürlich sind unsere chronischen Schmerzen immer präsent. Aber sie sollen nicht Priorität unserer Gruppe sein. Wir wollen die Lebenslust von jedem Einzelnen wieder herauskitzeln und stärken. Manchmal sehen wir, wie Leute vor der Tür stehen und überlegen, ob sie hereinkommen sollen. Es ist eine große Überwindung, in die Gruppe reinzugehen. Besonders beim ersten Mal. Aber wir nehmen jeden mit offenen Armen in unseren Reihen auf.
Unsere Stärke macht unsere Kontinuität aus. Wir treffen uns jeden Dienstag in der Selbsthilfekontaktstelle in Jüterbog. Unsere Treffen helfen, den Kopf freizukriegen von den Schmerzen und den Problemen, die man hat. Dass man die einfach mal zu Hause lässt oder beiseiteschiebt. Einfach mal was anderes in den Kopf bekommen. Das klappt nicht immer. Manchmal reden wir die ganze Zeit über die Schmerzen. Aber dann wissen wir: das nächste Mal ist es besser. Es gibt auch Tage, wo jemand mit Schmerzen zum Treffen kommt und das auch gleich sagt. Jeder kann zu uns kommen, auch wenn es ihm noch so schlecht geht. Dann stehen die, denen es besser geht, ihnen zur Seite, sind in dem Moment die Starken und geben Tipps und Ratschläge, wenn gewünscht. Eine Selbsthilfegruppe ist immer dazu da, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden. Niemand stellt sich in den Vordergrund. Das ist für uns ganz wichtig.
Viele Menschen trauen sich nicht, den ersten Schritt in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Weil sie Angst davor haben, sich zu öffnen. Weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Aber wenn sie den Schritt erst einmal gemacht haben, kommen sie immer wieder.
Elke: Mir ging es nach meiner Krebserkrankung 2016 nicht besonders. Eine damalige Patientin hatte mir die Selbsthilfegruppe Krebs empfohlen. Da habe ich gedacht: na ja, könnte ich ja mal probieren. Zum ersten Treffen bin ich mit Kissen angereist, weil ich nicht so lange sitzen konnte. Dann kam ich hier an, alle waren älter als ich. Sie haben mich genauso angenommen, wie ich bin. Sie haben mich nicht ausgefragt. Das hat mir sehr geholfen. So konnte ich mich immer weiter entwickeln, auch in dem Wunsch, wieder was mit Menschen zu tun haben zu wollen, ich war sehr zurückgezogen durch die Krankheit. Es war für mich sehr wertvoll, dass die Älteren mich als Jüngere so aufgenommen haben. Das hat mir sehr viel gegeben und mich für mein ganzes Leben gestärkt. Ich habe wieder Mut gefasst, die Dinge anzugehen.
Hardy: Nach einer Kopf-Operation nahm ich in der Klinik an Gesprächsrunden mit anderen Patienten teil. Es hat mir jede Menge Kraft gegeben, die Erfahrungen der anderen zu hören, mitzubekommen, wie sie damit umgehen. In einer Selbsthilfegruppe habe ich auch meine Frau kennengelernt. Später war ich einige Jahre lang Vorsitzender des Behindertenverbandes hier in Jüterbog, habe in der AG Barrierefrei mitgearbeitet und so Doreen Jape von der Selbsthilfekontaktstelle hier in Jüterbog getroffen. Ich hab mich dann immer freitags in die Demenzgruppe gesetzt und mitgespielt. Nach dem Tod meiner Frau hatte ich mich verkrochen, wurde depressiv – so bekam ich die Möglichkeit, unter Menschen zu sein. Mir gibt das eine ganze Menge. Ich habe mich schon immer mit der Selbsthilfe verbunden gefühlt. Das ist einfach eine gute Sache.
Hardy Wessely (Vorsitzender) und Elke Steiner (stellvertretende Vorsitzende)
Selbsthilfegruppe Chronische Schmerzen Gelenke „Lebensfreude“ bei der Regionalen Kontakt- und Informationsstelle Fläming in Jüterbog