Die Zeit gut nutzen
Wir haben COPD, eine „Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung“. Das bedeutet eine massive Einschränkung des Alltags, Hustenanfälle, Atemnot, schwindende Kräfte. Doch nicht nur das. Es schwingt auch eine Endgültigkeit mit. Aussicht auf Heilung gibt es nicht.
Jeder erlebt die Krankheit auf seine Art. Unsere Geschichten sind verschieden. Heiko lebt bereits seit den 80ern mit COPD, Ramona erst seit einigen Jahren. Während es Heiko guttut, an schlechteren Tagen auch mal auf dem Sofa zu bleiben, schätzt Ramona die Struktur und Regelmäßigkeit des Alltags, zu der z. B. regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund dazugehören – auch wenn ihr Mann sie an manchen Tagen dazu erst überreden muss.
Eines aber haben wir gemeinsam: wir wollen die Zeit, die uns noch bleibt, bestmöglich nutzen. Dabei wollen wir auch andere unterstützen und unsere Erfahrungen weitergeben. So wie in unserer Selbsthilfegruppe in Jüterbog.
Heiko: Mir ist es wichtig, anderen mitzugeben, dass sie meine Fehler nicht wiederholen. Ich habe COPD schon sehr lange. Zu Anfang, in Stufe 1, habe ich die Krankheit nicht für voll genommen. Ich habe gedacht „Ja gut, dann hab ich das halt. Lass mal noch eine rauchen.“ Selbst 2018, als ich schon gar keine Luft mehr bekommen habe, habe ich noch geraucht. Dass ich das jetzt nicht mehr tue, das verdanke ich meiner Enkeltochter. Sie ist mein größtes Geschenk. Als ich erfahren habe, dass ich Opa werde, habe ich entschieden entweder hör ich auf zu rauchen oder meine Enkeltochter wird mich nur von Fotos kennen. Das wollte ich nicht.
Mit COPD zu leben bedeutet, zu kämpfen – jeden Tag aufs Neue. Morgens freu ich mich erstmal, dass ich die Augen aufgemacht hab. Danach entscheidet sich, wie der Tag wird. Das Wetter spielt eine große Rolle: Je höher die Luftfeuchtigkeit, umso schwerer fällt es mir, das Haus zu verlassen. Man kann lernen, mit der Krankheit zu leben. Aber das ist sehr schwer. Manchmal habe ich genug, dann denke ich, Hauptsache, die Augen zu und weg – dann ist mir alles egal. Vorm Tod habe ich keine Angst. Keine Schmerzen mehr, keine Probleme mehr. Nur meine Ruhe haben und Frieden finden mit mir. Meine Seebestattung habe ich bereits organisiert, meine Frau soll sich darum nicht kümmern müssen. Bis es soweit ist, nutze ich die Zeit. Mache mir schöne Tage mit meiner Familie. Freue mich darüber, wie meine Enkeltochter heranwächst. Verreise viel. Solange es nur geht.
Ramona: Ans Ende denke ich noch nicht. Mir macht zurzeit zu schaffen, dass ich nicht schlafen kann. Erst gegen zwei, halb drei, schlafe ich ein. Aber um halb acht muss ich wieder aufstehen. Da gibt’s es Frühstück. Dann Mittag, Kaffeetrinken am Nachmittag. Da passt mein Mann auf. Er achtet auf Regelmäßigkeit, beim Essen, beim Trinken – manchmal nervt mich das. Die kleinsten Dinge fallen schwer. Schuhe binden. Kochen. Fenster putzen. Probiere es und schaff noch nicht mal ein Fenster. Ich krieg keine Luft. Dann muss mein Mann übernehmen. Auch das nervt.
Heiko: Der Verstand will mehr, als der Körper zulässt. Ich möchte manchmal die Welt einreißen, aber dann sagt das Gehirn, denk dran, du bist krank. Schön ist das nicht, so ein Leben mit COPD. In Stufe 1 sieht man Dir die Krankheit nicht an. Da heißt es „Du hast doch gar nichts“. Nachher, wenn das Sauerstoffgerät dein ständiger Begleiter ist, schauen die Menschen mitleidig. Oft hören wir „Du bist doch selbst schuld, weil Du geraucht hast.“. COPD kann auch andere Ursachen haben. Das wissen viele nicht.
Mitleid wollen wir nicht. Wir wollen auch nicht, dass uns jemand sagt, wie schlecht wir aussehen. Sowas will kein Kranker hören. Wir brauchen Menschen, die uns verstehen. Was schwer ist. Das war auch der Grund, warum ich die Gruppe gegründet habe. Ich wollte anderen das Gefühl geben, sie sind nicht allein. Die Gruppe ist für sie da. Hier sind Menschen, die kennen dich, die wissen, wie das ist. Ein Stück Geborgenheit und Sicherheit.
Ramona: Mir ging es damals genauso. Heiko hat mich auf dem Parkplatz auf die Selbsthilfegruppe angesprochen. Er hat mir auch am Anfang sehr geholfen mit den Anträgen, für die Rente. Er hatte ja alles schon durch. Seine Unterstützung war so wichtig für mich. Denn für die Rente, da musste ich richtig kämpfen. Irgendwann konnte ich nicht mehr, war kraftlos. Da war es ein schönes Gefühl zu wissen, da ist jemand, der dir helfen kann und der ganz genau weiß, wie es dir gerade geht. Es gibt Menschen, die können zu Hause mit ihren Partnern nicht so offen über die Krankheit reden. Hier in der Selbsthilfegruppe können wir uns alles erzählen – da geht es nicht immer nur um die Krankheit. Wir verstehen uns und helfen uns gegenseitig. Manche blühen in der Gruppe regelrecht auf.
Es gibt keine Heilung für COPD, aber man kann den Verlauf verlangsamen und noch viel Schönes erleben. Wir freuen uns, wenn wir mit unserer Selbsthilfegruppe ein Stück dazu beitragen können.
Heiko Matthes (Vorsitzender) und Ramona Niemeyer (stellvertretende Vorsitzende)
Selbsthilfegruppe COPD und Lungenerkrankungen bei der Regionalen Kontakt- und Informationsstelle Fläming in Jüterbog